In der Schweiz sind die Verbraucherpreise seit vier Jahren gesunken. Und der Wirtschaft geht es gut. Typischerweise ist die Deflation ein Zeichen für eine sich abschwächende Wirtschaft. Die Preise fallen aufgrund geringerer Verbrauchernachfrage. Dies führt wiederum zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Deflation kann auch die Wirtschaft in eine Rezession treiben. Das Verhältnis der öffentlichen Verschuldung zum BIP steigt, da die Regierung gezwungen ist, die Ausgaben für Sozialhilfeprogramme zu erhöhen.
Die Ökonomen beginnen jedoch, ihre Meinung über die negativen Auswirkungen der Deflation zu revidieren. In diesem Artikel wird der Fall einer guten Deflation am Beispiel der jüngsten Schweizer Wirtschaft untersucht.
Der Schweizer Fall
Japan ist ein Lehrbuchfall der Deflation. Die Wirtschaft des asiatischen Landes wurde in den letzten 20 Jahren durch Deflation in Mitleidenschaft gezogen. Das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum ist ins Stocken geraten. Mit 227% ist die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP auch die höchste der Welt. Andere Länder, die auf der Liste der Länder mit hoher Staatsverschuldung stehen, sind wiederum Länder, deren Volkswirtschaften in jüngster Zeit in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Die Schweiz hat sich jedoch als Ausnahme erwiesen. Anfang des Jahres hatte die Schweizer Zentralbank für bestimmte Anlagen Negativzinsen vorgeschrieben, um eine Anlegerflut in den Schweizer Franken von einem schnell abgewerteten Euro abzuhalten. Nach der Einführung des Negativzinsniveaus erwarteten die Ökonomen eine Rezession der Schweizer Wirtschaft.
Aber das ist nicht passiert. Das Land hat eine niedrige Arbeitslosenquote (3, 4%) und es wird erwartet, dass seine Wirtschaft zwischen 1% und 1, 5% wächst. Die Löhne sind auf Jahresbasis um 0, 6% gesunken, wurden jedoch durch den Preisverfall ausgeglichen. Tatsächlich hat die Kaufkraft netto zugenommen, wenn Lohnzuwächse dem Preisverfall gegenübergestellt werden.
Noch bemerkenswerter ist die Leistung der Schweiz, wenn man sie mit der ihrer Nachbarn in Europa vergleicht und gegenüberstellt. Zum Beispiel befindet sich die schwedische Wirtschaft, die im vergangenen Jahr zum größten Teil einen Deflationsschub erlebte, dank der Verfügbarkeit billiger Kredite aufgrund von Nullzinsen auf dem Höhepunkt einer Immobilienblase. Die Zentralbank des Landes gerät ins Stocken, da steigende Zinsen die Inflationsraten weiter drücken und zu einer lokalen Version der US-Immobilienkrise von 2008 führen würden.
Gibt es so etwas wie eine gute Deflation?
All dies führt zu der allgemeineren Frage, ob die Schweiz ein Einzelfall ist oder ob eine Deflation unabhängig von anderen Wirtschaftsindikatoren auftritt. Der allgemeine Konsens über die Deflation ist zu der Ansicht gelangt, dass dies schlecht für die Wirtschaft ist. Die Wirtschaftsforschung ist in dieser Frage gespalten.
Beispielsweise unterscheidet ein NBER-Papier zwischen guter und schlechter Deflation. Dem Papier zufolge tritt eine gute Deflation auf, wenn das Gesamtangebot die Gesamtnachfrage aufgrund von technologischen Fortschritten oder verbesserter Produktivität übersteigt. Eine schlechte Deflation tritt auf, wenn die Gesamtnachfrage schneller sinkt als das Angebot. Die Forscher zitieren Japan und die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre als Beispiele für eine schlechte Deflation.
Der Schweizer Fall scheint ein Beispiel dafür zu sein. In einem Artikel vom März 2015 gelangte ein Forscherteam der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zu dem Schluss, dass der Zusammenhang zwischen Produktionswirtschaftswachstum und Deflation statistisch schwach oder unbedeutend ist. Nach Ansicht der Forscher ist diese Ansicht (die in der Wirtschaftstheorie weitgehend vorherrscht) ein Produkt der Weltwirtschaftskrise. Ein weiterer Beweis für dieses Phänomen sind Untersuchungen, die von George Selgin, einem Direktor des Cato-Instituts, 1997 in einer Veröffentlichung des Institute of Economic Affairs veröffentlicht wurden. In dieser Veröffentlichung belegt Selgin die britische Weltwirtschaftskrise von 1873 bis 1896 Die Großhandelspreise fielen um etwa ein Drittel, und auch die Realeinkommen stiegen.
Die Deflation kann jedoch in Kombination mit anderen Wirtschaftsindikatoren schädlich sein. Beispielsweise gelangte das BIZ-Team zu dem Schluss, dass ein engerer Zusammenhang zwischen Produktionswachstum und Deflation der Vermögenspreise besteht. "Die schädlichsten Wechselwirkungen scheinen zwischen Immobilienpreisdeflation und privater Verschuldung zu bestehen", schreiben sie. In einfachen Worten bedeutet dies, dass der Effekt eines entsprechenden Anstiegs der Immobilienpreise und der privaten Verschuldung die Wirtschaft in eine Rezessionsspirale treiben kann. Schwedens Wohnungsprobleme scheinen ein Beispiel für dieses Problem zu sein.
Die Quintessenz
Die Deflation hat in letzter Zeit einen schlechten Ruf bekommen. Wie die Wirtschaftsforschung und das Beispiel der Schweizer Wirtschaft zeigen, ist diese Ansicht jedoch möglicherweise nicht in allen Fällen zutreffend.